Marathon-Stan feiert kurz vor Mitternacht in Melbourne einen seiner wichtigsten Siege auf der ATP-Tour. Er schlägt den Gewinner der letzten drei Jahre, Novak Djokovic, in fünf Sätzen 2:6, 6:4, 6:2, 3:6, 9:7.
Nach vier Stunden Spielzeit ist es endlich geschafft. Stanislas Wawrinka schlägt den Hausherren in der Rod Laver Arena und zieht in den Achtelfinal ein. Nachdem Stan im letzten Jahr an den Australian Open und auch an den US Open noch in fünf Sätzen verloren hatte, konnte er heute den grossen Triumph feiern. Welch beeindruckende Leistung des Lausanners.
Das Spiel lief leicht anders als im letzten Jahr. Dort konnte Stan mit 6:1 vorlegen und heute kam er im ersten Durchgang nicht auf Touren. Seine Aufschläge funktionierten noch nicht wie gewünscht und Djokovic war von Beginn weg bereit. Der 1. Satz ging nach einer halben Stunde an die ATP Nr. 2 aus Serbien. Der Schweizer startete gut in den zweiten Satz, konnte den Djoker breaken und sein Aufschlagsspiel halten. Das Spiel wurde intensiver und die Ballwechsel länger. Der 2. Satz dauerte 46 Minuten konnte von Wawrinka verbucht werden.
Im dritten Satz lief es weiterhin nach Wunsch für Wawrinka aber man wurde das Gefühl nicht los, dass nicht dieser Satz und allenfalls auch nicht ein vierter Satz entscheidend war. Während des ganzen Spiels wurde man irgendwie auf das grosse Highlight vorbereitet. Die beiden Tennisstars zeigten sehr solides Tennis und oft Rallies über 20 Schläge. Wichtig war, dass Stan dranbleiben konnte und Djokovic zeigte, dass er wieder bereit ist. Es war wichtig den grössten Druck auf den Serben zu laden, der ja in diesem Jahr wieder mehr erreichen möchte als im letzten. Man engagierte Boris Becker und steckte die Jahresziele sehr hoch. Die Verteidigung des Australian Open und die Rückgewinnung der Nummer 1 der Welt. Djokovic bereitete sich aber nicht voll und ganz auf das erste Grand-Slam des Jahres vor, er bestritt noch das Einladungs-Show-Turnier von Abu Dhabi. Vielleicht verschwendet er heute Nacht noch den einen oder anderen Gedanken an diese Entscheidung.
Nachdem Stanislas Wawrinka auch den dritten Satz für sich entscheiden konnte, war man gespannt wie Nole im vierten damit umgehen konnte. Djokovic ist einfach einer der grössten Tennisspieler aller Zeiten, denn wie solide und konzentriert er sich den vierten Durchgang sicherte, wo man wusste was auf dem Spiel stand, war extraklasse. Das Resultat von 6:3 im vierten Satz täuscht enorm. Es sind nur zwei Punkte die dort zugunsten vom Serben entschieden haben. Ein kleines bisschen besser gespielt, ein Break gewonnen und schon war der Druchgang zu Ende. Die Fans wurden lauter, die Ballwechsel länger und die Dramatik stieg. Nun kam endlich auf was das ganze Stadion und die Millionen von Zuschauern an den Bildschirmen gewartet hatten - der 5. Satz zwischen Stanislas Wawrinka und Novak Djokovic.
Stan bestätigte im Platzinterview nach dem Spiel gegenüber Jim Courier, dass er sehr nervös war und wusste wer auf der anderen Seite stand. Leider bestätigte sich dies zu Beginn und Djokovi lag mit Break vorne. Umso höher ist Wawrinka anzurechnen, dass er sofort das Re-Break schaffte. Es gibt zur Zeit wohl nur eine handvoll Spieler denen das gegen Nole überhaupt gelingen würde. Hiervon waren nicht nur die Fans beeindruckt, die nun grösstenteils auf der Seite des Schweizers waren, sondern auch sein Kontrahent auf der anderen Seite. Bei den Aufschlagsspielen beider wurde es immer eng und jeder konnte sich danach gerade so durchschlängeln. Die logische Konsequenz war ein erneuter long-set.
Dann passierte unglaubliches. Nach 3 Stunden 33 Minuten Spielzeit beim Stande von 5:5 und 40:15 setzte Wawrinka einen ersten Aufschlag neben das Feld. Gebannt wartete man auf den zweiten Service doch Wawrinka reklamierte etwas beim Schiedsrichter. Erst als die TV-Kameras in den Himmel schwenkten erkannte man, dass es in Australien zu regnen begann. Nach kurzem, prüfenden Blick vom Schiedsrichter unterbrach er die Partie, damit das Dach geschlossen und den Boden, gereinigt werden konnte. Dieser Prozess dauerte keine 15 Minuten aber man fragte sich während dieser Zeit ob der 1. Aufschlag wiederholt werden würde oder es beim 2. Aufschlag weiterging. Die Frage wurde promt beantwortet und Stan erhielt nochmals einen 1. Aufschlag. Dieser federte er mit einem Ass an Nole vorbei zur 6:5 Führung.
Hier müssen wir dem sehr fairen Sportsmann Novak Djokovic ein grosses Kränzchen winden. Es gibt immer wieder Stimmen die Nole etwas Arroganz unterstellen wollen oder das er viele Mätzchen macht und wir sehen das anders. Keine Reklamation des Djokers, immer wieder Applaus für den Gegner. Hier hätten sehr viele Spieler die Kontenance verloren und wir möchten uns nicht ausdenken was John McEnroe mit dem Schiedsrichterstuhl angerichtet hätte. Das einzig irritierende war Novaks Coach Boris Becker. Er stand bei jedem zweiten Punkt seines Schützlings auf und blieb oft sehr lange und als einziger im Stadion stehen. Die Kamera hielt natürlich voll drauf und man hatte das Gefühl, dass sich Becker hier in Szene setzen wollte. So nach dem Gefühl, schaut her ich bin wieder auf der ganz grossen Bühne anzutreffen. Im Bilde waren nur noch drei Herren, Wawrinka, Djokovic und Becker. Nun muss Boris natürlich auch damit leben, dass bei Djokovic eigentlich alles passt, er ins Team geholt wird und anstatt die Titelverteidigung gibt es das Ausscheiden im Viertelfinal. Da gehen einige Punkte und auch Selbstvertrauen verloren.
Wawrinka war nicht mehr zu bremsen. Man sah die Entschlossenheit in seinem Gesicht und er konnte nun seine Aufschlagsspiele gewinnen. Das Spiel war auch höchstem Niveau und wenn der Serbe jeweils wieder einen Ball aus der Ecke fischen konnte, war vom linken Fuss nicht mal mehr die Sohle auf dem Boden. Den Fuss quergestellt und im Spagat federte er seine Vorhandbälle zurück und konnte aus der prekärsten Lage noch Druck aufbauen. Marathon-Stan zerbrach nicht daran und blieb voll konzentriert. Die Chance vor Augen spielte er einfach sein Spiel weiter und wusste, dass wenn seine Chance kommt, dass er dann einfach zuschlagen muss. Die eine Seite war windiger und die Spieler wussten auf welcher man das Spiel in die Hand nehmen konnte und auf welcher etwas mehr Vorsicht geboten war. Beim Stande von 8:7 erkämpfte sich Stan seinen ersten Matchball. Novak schlug auf, stürmte ans Netz und wurde nun von seiner Nervosität überrascht und im Stich gelassen. Er volleyierte ins Aus und die Niederlage war Tatsache.
Stan-the-Man konnte erst zum dritten Mal in seiner Karriere den grossen Novak Djokovic bezwingen und trifft im Halbfinal auf den Tschechen Tomas Berdych. Gegen Berdych führt der Schweizer im Head-to-Head mit 8:5 und auch in den letzten Spielen konnte er die ATP Nr. 7 bezwingen. Auf der grossen Grand-Slam Bühne wirkte Stan bis jetzt sicherer und im Duell ATP Nr. 7 gegen ATP Nr. 8 ist Wawrinka leicht zu favorisieren. Ein Spieler der mehr Winner und Asse schlägt als Djokovic und gleichviel unerzwungene Fehler ist zur Zeit in Topform. Wawrinka meinte nach dem Spiel, dass er nun sehr lange im Eisbad sitzen wird und sich dann erst auf den Halbfinal vorbereiten wird. Tomas Berdych kam gegen die ATP Nr. 3 der Welt, David Ferrer, relativ locker in vier Sätzen durch und wird sich die Partie gegen Djokovic genaustens angesehen haben. Die Gegner kennen sich also sehr gut und für beide wäre es der erste Australian Open Final. Stay tuned auf Tennis-Live.ch um zu wissen wie dieser Krimi ausgeht.